Kontrolle über Schnittstellen
Der digitale Arbeitsplatz spielt dabei eine zentrale Rolle: Wer die dazu notwendigen Schnittstellen kontrolliert, kontrolliert welche Lösungen zukünftig am Arbeitsplatz oder mit am Arbeitsplatz verwendeten Informationen überhaupt genutzt werden können und ob und wie solche Software oder Cloud-Services mit anderen Systemen kommunizieren können. Das bedeutet: Ohne freie Gestaltungsfähigkeit von Software- und Cloud-Services für den Arbeitsplatz keine Kontrolle über die Schnittstellen und damit erhebliche Limitierungen bei der Gestaltungsfähigkeit der Digitalisierung.
Software und Cloud-Services zur Bereitstellung des digitalen Arbeitsplatzes müssen deswegen über offene, standardisierte und frei weiter entwickelbare Schnittstellen verfügen. Eine derart standardisierte Plattform, die diskriminierungsfrei für alle Anbieter eine Basis schafft, auf der Fachverfahren aufsetzen können, schafft ein eigenes Ökosystem, welches nicht von Partikularinteressen dominiert werden kann und somit Investitionssicherheit und eine bedarfsgerechte Evolution der Komponenten ermöglicht.
Marktbeherrschung und Wirtschaftlichkeit
Die heute den Markt beherrschenden Software-Lösungen und Cloud-Dienste zur Bereitstellung digitaler Arbeitsplätze stellen mit ihren Schnittstellen und Benutzerinterfaces eine gewaltige Plattform mit einem erheblichen Plattformeffekt dar. Für Anwenderorganisationen ist der Einsatz entsprechender Lösungen oft alternativlos, da nur daraus die Möglichkeit zur Nutzung wichtiger Anwendungssoftware und Fachverfahren gewährleistet ist. Und andersherum ist die Unterstützung dieser Plattformen für die Hersteller von Anwendungssoftware und Fachverfahren alternativlos, da nur dadurch der Zugang zu Kunden, welche die entsprechende Software technisch überhaupt einsetzen können, gewährleistet ist.
Es besteht also sowohl bei Endnutzerorganisationen als auch bei Softwareanbietern eine erhebliche Abhängigkeit zur Softwareplattform für digitale Arbeitsplätze. Diese Plattform heißt Microsoft Windows, Microsoft Office, Microsoft 365 und Microsoft Azure und diese Abhängigkeiten führen zu sehr hohen Preisen, hoher Abhängigkeit bis hin zu Erpressbarkeit. An dieser Stelle drängt sich geradezu der Vergleich mit der aktuellen Situation bei der Energieversorgung auf, die in ähnlicher Weise von Monopolbildungen und Plattformabhängigkeiten bestimmt wird. Der Ausweg sind offene Systeme, die nicht für eine Erpressung geeignet sind.
Gegenmodell zu proprietären Plattformen
So wie das erfolgreiche Gegenmodell zu den proprietären Netzwerkplattformen von Microsoft, Novell oder AOL die offenen Standards des Internets gewesen sind, ist das Gegenmodell zu proprietären Plattformen für den Arbeitsplatz, eine offene, gemeinsam kontrollierbare Plattform für digitale Arbeitsplätze: der souveräne Verwaltungsarbeitsplatz. Er schafft Sicherheit durch kontrollierbaren Code, Gestaltungsfähigkeit durch Open Source, eine gemeinsame Plattform durch offene, gemeinsam entwickelte Standards und reduziert Abhängigkeiten und Erpressbarkeit, da sie letztlich von jeder Organisation auch in eigener Regie betrieben und weiter entwickelt werden kann.
Denn diese neue Plattform wird nicht nur die Wirtschaftlichkeit und Effizienz bei der Digitalisierung der Verwaltung erheblich verbessern oder die Digitalisierung durch offene Schnittstellen und Gestaltungsfähigkeit insgesamt beschleunigen. Sie wird nicht nur Sicherheit und Kontrollierbarkeit von Datenflüssen erhöhen oder überhaupt erst ermöglichen und damit die IT-Sicherheit massiv verbessern. Das alles wird nur der Anfang sein, denn für eine solche, offene Plattform gibt es erheblichen Bedarf, nicht nur in der deutschen Verwaltung.
Es gibt daran auch großes Interesse in anderen Verwaltungen und in immer mehr Bereichen der Industrie. Denn alle haben mit denselben Herausforderungen zu kämpfen: IT. Der digitale Arbeitsplatz steht im Mittelpunkt aller Prozesse und diese Prozesse müssen kontrolliert werden können. Gleichzeitig besteht erheblicher Innovationsdruck, insbesondere in der Industrie. Dazu braucht es Gestaltungsfähigkeit und zwar ohne sich dabei in die Abhängigkeit von Plattformen zu begeben, die dann über ihre Preise die ganze Wertschöpfung in die eigene Tasche zu lenken.
Das wird an immer mehr Stellen erkannt und deswegen hat dieses nicht nur das Potential die Digitalisierung der Verwaltung zu verbessern, sondern zu einer echten Disruption zu führen, und Deutschlands Rolle in der internationalen Informationstechnologie entscheidend zu verbessern.
Erfolgsfaktor Multi-Vendor-Modell
Wir bauen den souveränen Verwaltungsarbeitsplatz nicht als das Produkt eines einzigen Herstellers, wir bauen ihn modular aus den besten Komponenten die im Open-Source-Markt verfügbar sind: Open-Xchange im Bereich Mail und Groupware, Collabora Office als kollaboratives Online-Office, das seinerseits auf LibreOffice, dem Standard schlechthin im Bereich Open Source Office aufbaut, Nextcloud als Plattform für das Teilen und den Zugriff auf Daten, die gleichzeitig eine ganz wesentliche Schnittstelle für die Integration von Collabora darstellt, Matrix für die Echtzeit-Kommunikation, Jitsi für den Bereich Videokonferenzen und von Univention kommen mit dem dahinter liegenden Identitätsmanagementsystem sowie einem Portal die wichtigen Komponenten zur Integration, die selbst wieder auf etablierter und frei verfügbarer Open Source Software wie OpenLDAP oder Keycloak basiert.
Dieser Ansatz hat eine Reihe, aus unserer Sicht entscheidende Vorteile: Wir haben in vielen dieser Komponenten bereits eine sehr hohe Reife, einen vollständigen Funktionsumfang und auch aus Endnutzersicht eine sehr hohe Qualität. Nur so sind wir überhaupt in der Lage, innerhalb kurzer Zeit eine Alternative zu bieten, die es sowohl in puncto Usability als auch in puncto Funktionalität mit ihren proprietären Wettbewerbern aufnehmen kann. Und: Durch die Beteiligung vieler leistungsfähiger Unternehmen sind wir überhaupt in der Lage, die jetzt notwendigen, weiteren Entwicklungsschritte in der notwendigen Geschwindigkeit vorzunehmen.
Grundprinzip: 100% Open Source
Der souveräne Verwaltungsarbeitsplatz soll ein echtes, gemeinschaftlich getragenes Open-Source-Projekt werden. Dazu ist es erforderlich, dass es ein funktional vollumfängliches, klar definiertes Set von Software gibt, das diesen Arbeitsplatz realisiert und das zu 100% Open Source, im Quellcode für jede Frau und jeden Mann zugänglich ist und einfach ausprobiert und genutzt werden kann – ohne dass es dazu der Unterzeichnung eines Vertrages oder der Interaktion mit einer wie auch immer gearteten Organisation bedarf.
Es ist deswegen sehr gut, dass diese Prinzipien Grundprinzipien des Projektes sind und es ist prima, dass wir mit OpenCoDE jetzt über eine Plattform verfügen, auf welcher der Quellcode zum souveränen Verwaltungsarbeitsplatz vollständig veröffentlicht werden kann. Hier passt wirklich ein Stein auf den anderen. Gleichzeitig ist es aber wichtig zu verstehen, dass die Hersteller der einzelnen Softwarekomponenten (Matrix, Open-Xchange, Nextcloud etc.) die Hauptrepositories ihrer Software weiterhin selbst betreiben werden. Für uns Hersteller ist die Kontrolle über den Code, aus dem wir unsere Produkte bauen, für deren Sicherheit und Funktionsfähigkeit wir dann ja einstehen müssen, einfach essentiell. In OpenCoDE wird man also aktuelle Kopien des Codes wiederfinden, die den jeweiligen Entwicklungsstand des souveränen Verwaltungsarbeitsplatzes darstellen und mit denen man genauso arbeiten kann, wie mit dem von Open-Source-Unternehmen typischerweise in Github oder anderen Plattformen veröffentlichten Code.
Einheitliches API
Wir wollen mit dem Projekt souveräner Verwaltungsarbeitsplatz eine neue, offene Plattform aufbauen und diese Plattform wird umso erfolgreicher werden, desto mehr Fachverfahren sie unterstützen, etwa um ein Dokument zur kollaborativen Weiterbearbeitung zu öffnen, einen Kalendereintrag vorzunehmen oder eine Videokonferenz mit einem Kollegen zu starten.
Deswegen wird ein wichtiger Aspekt für den Erfolg die Entwicklung eines einheitlichen, einfach nutzbaren APIs zum Zugriff insbesondere aus Fachverfahren heraus sein. Daran besteht grundsätzlich seitens der Fachverfahrenshersteller großes Interesse, denn auch dort ist die Sorge vor zu großer Abhängigkeit von einer proprietären Plattform hoch. Offen und diskriminierungsfrei heißt aber auch, dass Anbieter proprietärer Software nicht ausgeschlossen werden und selbstverständlich diese Schnittstellen zur Anbindung der eigenen Software nutzen können, um ihre Leistungen anzubieten.
Open Source hat das Internet mit seinen Möglichkeiten erst geschaffen. Ohne Open Source würden wir jetzt vermutlich das Internet nur als Medienangebote von AOL/Time Warner und Disney kennen und Computer als bessere Schreibmaschinen verstehen. Mit dem digital souveränen Arbeitsplatz haben wir die Chance eine vergleichbare Initialzündung für eine flexible und leistungsfähige Zukunft der Verwaltung zu schaffen, nicht nur in Deutschland, sondern auch in der EU und im Grunde in der gesamten Welt.