Barrierefreiheit in UCS

Wer ohne Beeinträchtigung der eigenen visuellen, kognitiven oder motorischen Fähigkeiten am Computer, Tablet oder Smartphone arbeitet, kann sich in der Regel schwer vorstellen, welche Hindernisse manche Benutzer*innen auf ihren digitalen Wegen vorfinden. Das bezieht sich keineswegs nur auf Menschen mit körperlicher Behinderung – ältere Personen und anderssprachige Mitbürger stehen ebenfalls oft vor Hürden, und nicht nur im Bereich Bildung ist Inklusion besonders wichtig.

Nutzer*innen im schulischen und öffentlichen Sektor wünschen sich schon lange barrierefreie Oberflächen – auch UCS- und UCS@school-Kunden fragen immer häufiger nach. Wir haben das Portal des Univention Corporate Servers (UCS), das sich auch im Phoenix-Projekt um das Identitäts- und Zugriffsmanagement kümmert, gemeinsam mit Dataport einem Test unterzogen und die Ergebnisse zum Anlass genommen, das Thema „Barrierefreiheit“ stärker in den Fokus zu rücken.

In diesem Artikel möchte ich berichten, wie wir unser Portal in Zukunft noch zugänglicher gestalten wollen, welche Standards für Barrierefreiheit bestehen und welche wir für den Einsatz in Schulen und in der öffentlichen Verwaltung bereits implementiert haben.

Barrierefreiheit – wer braucht das eigentlich?

Dass Software funktionieren und gut aussehen soll, ist klar. Das Portal der aktuellen UCS- und UCS@school-Versionen hat daher nicht nur einen eleganten und modernen Look, wir haben zusätzlich ausführliche Usability-Tests durchgeführt, um die Bedienerfreundlichkeit zu überprüfen. Aber was ist mit Barrierefreiheit?

Das Thema fällt gerne unter den Tisch, oder es wird vermeintlich auf „behindertengerecht“ beschränkt. Barrierefreie Software ist allerdings mehr als behindertengerechte Software – es geht nicht nur um die Bedienung eines Computers mit technischen Hilfsmitteln wie Braille-Zeilen, Sprachausgaben, Screenreadern oder speziellen Eingabegeräten. Zusätzlich gilt es, die Hürden für ältere und fremdsprachige Menschen oder solche mit kognitiven Einschränkungen zu senken.

Und wer bestimmt, was barrierefrei ist? Dazu wurden verschiedene Standards etabliert, die Empfehlungen für die Verbesserung der Zugänglichkeit enthalten. Dabei geht es unter anderem um Webinhalte sowie um IKT-Produkte und -Dienstleistungen (Informations- und Kommunikationstechnik). Die aktuellen Richtlinien möchte ich im nächsten Abschnitt kurz vorstellen.

Standards fürs WWW, Europa und Deutschland

Wenn die möglichen Einschränkungen vielfältig sind, dann muss man auch entsprechend viele Punkte bei barrierefreien Anwendungen berücksichtigen. Dazu haben sich mehrere Organisationen und Behörden Gedanken gemacht, allen voran das World Wide Web Consortium (W3C). In den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind die wichtigsten Anforderungen dokumentiert, unter anderem für die Zugänglichkeit von Webinhalten auf Desktops, Laptops, Tablets und mobilen Geräten. Die aktuellen Richtlinien (WCAG 2.1) beschreiben unter anderem, dass informative Inhalte nicht ausschließlich über Bilder, farbliche Gestaltungen oder andere Medien transportiert werden dürfen.

Auf europäischer Ebene hat sich das European Telecommunications Standards Institute (ETSI) dem Thema angenommen, und in Deutschland regelt die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) die grundsätzlich uneingeschränkt barrierefreie Gestaltung moderner Informations- und Kommunikationstechnik. Damit Behörden Zeit haben, ihre digitalen Angebote an die neue Version der Norm anzupassen, gibt es eine Übergangsfrist: Bis zum 12. Februar 2022 war es erlaubt, „nur“ eine Vorgängerversion der Vorgaben zu erfüllen. Danach müssen Websites, Apps und elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe von öffentlichen Stellen des Bundes vollumfänglich den Vorgaben der Version EN 301 549 V3.2.1 (2021-03) entsprechen.

Nach dieser etwas trockenen Theorie geht es ins Eingemachte: Was können wir bei Univention mit diesen Standards anfangen, und wie wollen wir diese künftig umsetzen?

Barrierefreies Frontend für UCS und UCS@school

Zugängliche Webfrontends sind essenziell für barrierefreie, digitale Angebote. Bereits in UCS 4.x haben wir einige der oben erwähnten Standards umgesetzt. Dazu gehört unter anderem das Skalieren der Schriftarten. Auch das Anpassen der Farben und das Erhöhen des Kontrasts ist beim Univention Corporate Server schon länger möglich – davon profitieren im Wesentlichen Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit oder mit einer Farbenfehlsichtigkeit.

Ein anderer wichtiger Punkt betrifft die Strukturierung von Texten: Nur wenn korrektes semantisches HTML zur Auszeichnung verwendet wird, sind auch in Screenreadern Überschriften als Überschriften und Absätze als Absätze erkennbar. Auch Personen, die Schwierigkeiten beim Lesen längerer Texte haben, ziehen einen Vorteil aus semantischen Layout-Elementen.

Wie eingangs erwähnt, haben wir mit Einführung der neuen UCS-Version 5.0 die Weichen weiter in Richtung Barrierefreiheit gestellt. Dazu trägt unter anderem das JavaScript-Frameworks Vue.js bei. Es ermöglicht nicht nur das gezielte Fokussieren von Steuerelementen für die Benutzung ohne Maus, sondern auch das Hinzufügen beschreibender Texte für Steuerelemente. Letzteres ist nicht nur praktisch für den Einsatz von Screenreadern, sondern ebnet auch den Weg für eigene Beschriftungen. Wer künftig Apps und andere Funktionen im Portal mit leichter und einfacher Sprache für die Benutzer*innen auszeichnen möchte, hat es so deutlich leichter.

Benutzer*innen, die UCS ohne Maus bedienen möchten, bleiben ebenfalls nicht außen vor. Eine reibungslose Navigation im Frontend ausschließlich über die Tastatur ist möglich. Dazu haben wir uns an gängigen Standards zur Tastatursteuerung und an bekannten Kurzbefehlen (Shortcuts) orientiert.

Als erste App haben wir den Self Service barrierefrei implementiert. Darüber können Benutzer*innen das eigene Passwort ohne die Interaktion mit Administrierenden verwalten, ein Profilbild, private Adressen und weitere Kontaktinformationen hinterlegen und mehr. Seit UCS 5 (Erratum 262 vom 23. März 2022) ist der Self Service barrierefrei.

UCS Selfservice: barrierefrei

Ausblick: Fortschritt statt Stillstand

Als Nächstes steht die Benutzer- und Gruppenverwaltung auf unserer Agenda. Wir wollen die entsprechenden Module nach und nach barrierefrei gestalten, wobei unseren Entwickler*innen weiterhin ein Spezialist von Dataport beim Testen zur Seite steht. Alle Neuerungen werden ausführlichen Tests unterzogen, und die Rückmeldungen fließen selbstverständlich in unsere Software ein.

Barrierefreie Software mag einen gewissen zusätzlichen Aufwand mitbringen, das darf uns aber nicht daran hindern, unsere eigenen Produkte entsprechend zu gestalten – in den nächsten Releases werden wir daher schrittweise das Portal und die Module an geltende Standards anpassen. Haben Sie Fragen oder eine Rückmeldung? Dann hinterlassen Sie gerne einen Kommentar unter diesem Artikel.

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Dirk Wiesenthal

Open Source Software Engineer bei Univention. Dirk kümmert sich hauptsächlich um die Pflege und Weiterentwicklung des Univention App Centers.

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